Theater fensterzurstadt: Ein bischen Dessau, Görlitz und Bitterfeld mitten in Linden

Am 16. November eröffnete das Theater fensterzurstadt offiziell seine neuen Räume in Linden. In der Posthornstraße 13 entstanden in einem kleinen Ladenlokal ein Fenster zur Stadt und zugleich ein Fenster der Stadt zur Kultur. Eröffnet wurde mit der szenischen Lesung „Stadt ohne Frauen“, in dem Ruth Rutkowski auf einer Fahrradtour durch Sachsen Interviews mit verblieben EinwohnerInnen führte. Sie ging dabei der Frage nach, warum viele junge Menschen und speziell Frauen den Osten verlassen.

Urig und nostalgisch war es im Ladenlokal in der Posthornstraße und manch einer ahnte, hier braut sich was zusammen. Und das war nicht nur die sozialkritische Kultur. Die szenisch gelesen Interviews offenbarten viel mehr. Mit Empathie, ohne Wertung und ohne Pathos wurde etwas von der gelebten Lebensrealität im Osten vermittelt. „Wo geht die Reise – so viele Fragen – all die Fragen“ kam es aus dem Off. Authentisch – so wie einfache Menschen denken und empfinden – wurden die Menschen mit ihren Lebensfragen gezeigt. Ob aus Dessau, Görlitz oder Bitterfeld, ernüchternde Stimmen von Menschen, die verzweifelt und ohnmächtig die gesellschaftliche Ungerechtigkeit erleben und ihren Unmut über die Politiker äußern. Aber man merkt in der Lesung, sie wissen, im Grunde interessiert es keinen. Sie fühlen sich vom Staat vergessen und merken, in ihrem Land „geht es nicht vorwärts, es geht ja nur rückwärts“. Strom, Gas, alles wird teuerer, die Lebensumstände schlechter. Sie haben Angst davor, dass Geld nichts mehr wert ist – und man spürt in bedrückender Weise in den szenischen Lesungen die Resignation der Menschen. Entsprechend kommt zur Lesung immer wieder aus dem Off: „Und es gibt nirgendwo ein Land, wo alle Menschen glücklich sind.“ Aber das tröstet nicht. Bedrückt verlässt man den kleinen nostalgischen Laden mit der wohl kleinsten Bühne Lindens und denkt: „Ah, daher ist das so in Sachsen, die sind verzweifelt.“

Weil die Lesung so ein Erfolg und inhaltlich so wichtig ist, wurde vom Theater fensterzurstadt eine zweite Vorstellung angesetzt. Sie findet am 12. Dezember ab 19.00 Uhr statt. Der Beginn der Lesung ist 19.30 Uhr, aber besser man ist schon um 19.00 Uhr dort und bereitet sich schon mal innerlich auf einen harten Brocken professionell inszenierter sozialkritischer Kultur vor, den man dann in den nächsten Tagen in aller Ruhe „verdauen“ kann.

Eintritt „pay you can“.
Infos: www.fensterzurstadt.de.